von Matthias Walther

Ein umfangreiches Kapitel ist den Projekten der Königlich Bayerischen Staatsbahn ab etwa 1912 gewidmet. In der intensiven Entwicklungsphase des europäischen Lokomotivbaus zwischen 1900 und 1914 vollbrachte die Münchner Lokfabrik J. A. Maffei Höchstleistungen, die in der eleganten Versuchslok S 2/6 und der 1908 erschienenen legendären S 3/6 gipfelten und wiederum Vorbild waren für die Badische IV H von 1918 aber auch anderen europäischen Lokomotiven von Schweden bis Rumänien. Ab 1912 beschäftigte man sich intensiv mit Projekten zu großen Lokomotiven mit vier gekuppelten Achsen S 4/7 bis S 4/8 sowie Nachfolgetypen der dreifach gekuppelten S 3/6 als S 3/7. Die Pläne wurden entweder von der Bayerischen Staatsbahn oder intern von Maffei angefertigt. Auch auf dem Gebiet größerer Güterzuglokomotiven gibt es –allerdings rein vom Verfasser fiktiv weitergedachte- Projekte schwerer Mallet-Lokomotiven, die in Bayern jedoch so nicht geplant waren, weil sie nicht benötigt wurden.

1902 startete ein deutschlandweiter Wettbewerb zum Entwurf einer speziellen Schnellfahrlok für Geschwindigkeiten von über 140km/h und bis zu 160km/h. Angeregt dadurch lieferte Richard Avenmarg aus München diesen bayerischen Beitrag einer speziellen Schnellfahrexperimentallok als Tendermaschine mit der ungewöhnlichen Achsfolge 3`B 3`h4v mit einem Kuppelraddurchmesser von 2250mm. Letztendlich führte dieser Wettbewerb zum Bau der legendären S 2/6, einer 2`B 2`h4v von 1906, der vielleicht elegantesten Lok ihrer Zeit. Mit 154km/h stellte sie auch den offiziellen Geschwindigkeitsweltrekord für Dampflokomotiven auf, wobei sie konstruktiv sicher für 170km/h ausgelegt war. Wie schnell die abgebildete Tenderlok des hier dargestellten Entwurfs dagegen gefahren wäre bleibt für immer ein Geheimnis.

Diesen konventionelleren Plan ersann man 1912 bei J.A. Maffei: So wurde gedanklich aus der großrädrigen Pazifik S 3/6 Serie d mit einem Schleppgestell in Art der S 2/6 unter einer deutlich vergrößerten Rostfläche eine schwere 2`C 2`h4v erschaffen, eine S 3/7. Reizend an der seitlichen Darstellung ist die sich ergebende unübertreffliche Harmonie und Eleganz. Außerdem zählt der abgebildete Entwurf zu den ersten der Welt zu einer großen 2 C 2 Lokomotive, einer vor allem später in den USA gebräuchlichen Achsfolge.

Ein eigenes Kapitel nimmt die Planung eines größeren Vierkupplers in Bayern ein. Eine schnellzugtaugliche vierfach gekuppelte Reisezuglok wurde mit 2`D und 1`D 1`Entwürfen ab 1912 angedacht, bis Pläne mit 2`D 1 `und 2`D 2`Entwürfen 1917 bis 1919 entstanden. Eine frühe Variante einer möglichen Mountain Achsfolge, entwickelt aus der kleinrädrigen S 3/6 mit 1870mm Rädern bietet sich durch diesen hier dargestellten frei erfundenen Entwurf meinerseits.

Mit diesen beiden Plänen nach konkreten Vorlagen aus den Archiven von Maffei in München sieht man wie weit die Ideen bereits 1918 gingen: als erste Bahngesellschaft Europas und außerhalb der USA projektierte man eine solch groß dimensionierte Schnellzuglok als S 4/8 in 2`D 2`h4v Achsfolge. Das Bild der oberen Lok wurde von mir mittels einer alten Werbepostkarte kreiert. Der zweite Entwurf der etwas zierlicheren blauen Lok weist den gleichen Raddurchmesser von 1870mm, aber einen ungewöhnlichen Kesselrücksprung mit weit vorgelagertem Hochdruckzylinder auf und erhielt laut Planung ein Gestell von Prof. Lotter, bei dem die erste angetriebenen Achse mit dem Vorlaufdrehgestell verbunden werden sollte. Hier wird diese Version erstmals in perspektivischer Wirkung von mir umgesetzt.

Nach dem Ende des Krieges und der Ausrufung der Republik (Freistaat Bayern) endeten die Planungen zu großen Vierkupplern keinesfalls. So entstand 1922 für die noch selbstständigen bayerischen Eisenbahnen dieser beachtliche Entwurf einer schweren 1`D 1`h4v mit vorderem Krauss-Helmholtz-Gestell. Gedacht war diese Lok als Ersatz für nach Frankreich und Belgien als Reparationsloks abgegebene S 3/6. Treibraddurchmesser wieder bayerisches Standartmaß von 1870mm. Mit dem äußeren Antrieb auf dritter Achse und dem reichlich dimensionierten Kessel wäre eine große Lok entstanden, die der damals größten Schnellzugmaschine Europas, der sächsischen XX HV mit gleicher Achsfolge weit überlegen gewesen wäre.

Nicht von der Bayerischen Staatsbahn, wohl aber von J.A. Maffei stammt dieser hiermit veranschaulichte Plan von 1922 zu einer Einheitslok für ganz Deutschland als Mountain 2`D 1`h4v. Sie war als Konkurrenzprojekt zu Plänen Borsigs und Henschels gedacht, wobei man sich am Ende bei der neuen Deutschen Reichsbahn nur für die 1`D 1`h3 in Form der preußischen P 10 als Vierkuppler entschied. Welchen Eindruck aber eine weit leistungsfähigere Mountain gemacht hätte zeigt das Bild.

Einem reinen Studienentwurf des Eisenbahnhistorikers (Ernst Höcherl) entsprang die Idee einer solchen 1`D 2`h4v Lok, die ein interessantes Pendant zur österreichischen Reihe 114/214 ergeben hätte. Mit bayerischer Eleganz und Verbundtechnik des Antriebs ausgeprägt, reizte es mich die Darstellung dieser Lokomotive in Perspektive umzusetzen. Tatsächlich soll es interne Studien einer solchen Achsfolge bei Maffei auch gegeben haben.

Als einzige Neubaulok kam leider kein Vierkuppler mehr zu Stande, immerhin aber 1926 eine Pazifik 2`C 1`als Turbinenschnellzuglok T 18. Die Lok war bereits für die Deutsche Reichsbahn konstruiert, allerdings in rein bayerischer Bauart. Ein weiteres Projekt zu einer 2`C 2`Turbinenlok entstand noch um 1930 und sei hier von mir dargestellt. Durch das höhere mögliche Drehmoment der Räder sind die Treibräder mit 1750mm im Entwurf eher gering ausgefallen.

Was sich nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ab etwa 1950 hätte ergeben können, reizte mich zu dieser Darstellung: Es verbindet sich hierbei modernste Technik und klassische Eleganz. Möglich wäre eine schwere 2`D 2`h3v mit geschweißtem Verbrennungskammerkessel, Rollenlagerung, Saugzuganlage und Verbundsystem. In der Erscheinung besonders auffällig sind die an die Baureihe 10 und Gestaltungsvorentwürfe von Krauss-Maffei hierzu angelehnten gestalterischen Effekte, die ein schnittig elegantes Aussehen dieser Lokomotive ermöglicht hätten.

Nicht zuletzt gestalterisch würde solch eine Lokomotive mit ihrer eleganten Semistromlinie eine besondere Wirkung entfalten. Wie etwa eine Stromlinie an einer alten aber mit neuem Kessel versehenen S 3/6 wirken könnte ist in dieser Abbildung als eigene fiktive Idee umgesetzt. Man vergleiche den Umbau mit der sehr gelungenen badischen 18 314, die für die Deutsche Reichsbahn Ost der DDR eine ähnliche Gestaltung bekam.

Personenzugloks die fehlten

Dem Kapitel der Personenzuglokomotiven widmet sich folgende Betrachtung einer 1922 für den Vereinheitlichungsausschuss der Reichsbahn vorgeschlagenen Maffei Lok als 2`C h4v, sozusagen eine P 8 Nachfolge für den Einsatz bei der Reichsbahn. Der Entwurf steht im Zusammenhang mit dem 2`D 1`Projekt für die Reichsbahn von 1922.

Ein echter Alleskönner wäre diese von mir erfundene Mehrzwecklock als P 5/7 geworden. Ohne Entwurfsvorlage macht die 1`E 2`h4v Lok mit 1500mm Rädern einen kraftvollen Eindruck. Der Kenner sieht jedoch meine Vorlage in der Norwegischen Dovregubben NSB Type 49.

Für Güter gerade groß genug

Einem der 2`C Personenzugtype verwandter Plan entstammt auch die gezeigte 1`E h4v Güterzuglok, die als G 5/6 in Bayern bis zuletzt fehlte. Die Schweiz entwickelte immerhin eine ähnliche Lok als C 5/6. Ein weiteres Projekt gleicher Achsfolge und h4v Bauart entstand 1922 allerdings für die reine Verwendung in Bayern und als Ersatz von Reparationsabgaben nach 1918. Der Treibraddurchmesser beträgt bei beiden Projekten 1400mm.

Mallet Gelenk-Verbundlokomotiven hatten bei Maffei von Anbeginn einen festen Platz und fanden weltweit auch mit Lieferungen aus München Verbreitung. Daher lag es für mich nahe, eine solche Lok aus der Vorlage der Schweizer C 4/5 zu entwickeln. Angeregt durch diese Idee wurde gleich die Illustration einer noch größeren Maschine als G (4/5) + 4/4 wieder mit etwa 1300mm Rädern gewagt. Jedoch fehlte für solch große Mallet Lokomotiven die Grundlage in Bayern, entstanden ist aber die beachtliche Tenderlok Gt 2×4/4 sowie weitere große Mallet Lokomotiven für südafrikanische Kapspur.

Vor dem Hintergrund erfolgreicher Lieferungen ins Ausland sei sogar ein weit gewagterer Schritt geschildert: Das fiktionale Projekt einer originellen Garratlok als P 2x 4/7 für den gemischten Betrieb. Mit großen Garrat Lokomotiven für Afrika konnte J.A. Maffei 1927 tatsächlich aufwarten. Der Entwurf ist aber der Fantasie meinerseits entsprungen.

Tenderlokomotiven und weitere Sonderlinge

Tender Lokomotiven gelten zu Unrecht als die kleinen Brüder der großen Schlepptenderloks. Auch Projekte hierzu sollen eingehend betrachtet werden, die wiederum tatsächlich sowohl für den Personen- als Güterzugdienst vorgesehen waren. Den Beginn macht diese hübsche in Wirklichkeit jedoch so nie geplante 2`C 2`h4v Tenderlok mit 1600mm Rädern. Mein Vorbild war eine ältere Maffei Maschine für die Spanische MZA von 1905.

Hervor heben möchte ich insbesondere eine 1922 tatsächlich vorgeschlagene schwere Pt 4/7 und ihr Pendant einer Gt 5/7 für den Güterzugbetrieb und als Ablösung der Mallets auf den Steilrampen im Spessart. Der Formvergleich dieser von Krauss vorgesehenen Lokomotiven mit achsfolgegleichen preußischen Pendants wie der T 20 fordert heraus.

Als eigenes Kapitel zur Abrundung des bayerischen Lokomotivbaus seien noch meine Studien einer Pt 4/7 Tenderlok als Lok 9 der privaten bayerischen Tegernseebahn TAG von 1948 angeführt, auch auf eine Variation als 1`C 2` h2 mit Stromlinie sei vermerkt. Die kleine Privatbahn wollte damit eigene schnelle Züge von München bis zum Tegernsee befördern. Hersteller sollte Krauss-Maffei sein.

Diese originelle Super New Steam Studie für eine 2`C h3v Touristiklok für 160km/h ist für die Zeit nach 2000 als freier Entwurf von mir bestimmt. Grundlage war eine ältere 2`C Lokomotive, die Maffei 1910 für die Niederländische NCS baute. Die exzentrische Gestaltung ist den amerikanischen Art Deco Loks der dreißiger Jahre entlehnt. Eine leichtölgefeuerte Neubaulok dieser Achsfolge könnte für den aktuellen Touristikverkehr Verwendung finden und ähnliche Lokomotiven wurden bereits in England geplant, aber nicht umgesetzt. Schade eigentlich, wäre damit eine umweltfreundliche originelle Version ganz neuer Dampftechnik unserer Zeitepoche möglich.

Gegenüberstellungen

Das bayerische Verkehrsministerium in München um 1919. Davor eine fiktive Schnellzuglok nach Vorbild des Plans zu einer S 4/8 von 1918. Die meisten Entwürfe sind dort entstanden.